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Glücksspiele im Internet boomen – doch die Gefahren werden unterschätzt. Verbraucherschützer und Spielsuchtexperten fürchten jetzt einen Rückschritt im langjährigen Kampf gegen Spielsucht und illegales Glücksspiel. Denn in Schleswig-Holstein stellen Politiker die Ratifizierung der beschlossenen Änderungen zum Glücksspielstaatsvertrag in Frage.

Online-Glücksspiel ist ein lukratives Geschäft. Wetten- und Glücksspiele im Internet gehört mit Wachstumsraten von 15 Prozent zu den am schnellsten wachsenden Dienstleistungssektoren Europas. Dabei wird der deutsche Markt dominiert von ausländischen Konzernen, die hier illegal operieren.
Bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Spielsucht warnten Fachleute einhellig vor den Konsequenzen einer Liberalisierung des Online-Glücksspiel-Marktes. Auf Einladung des Deutschen Lotto- und Totoblocks (DLTB) diskutierten Suchtexperten aus Wissenschaft, Verbraucherschutz und Politik in Berlin über aktuelle Entwicklungen im Bereich Spielsucht. Mit diesen „LOTTO-Über-Kreuz-Gesprächen“ bietet der DLTB ein anerkanntes Dialogforum zu gesellschaftspolitischen Themen rund um das Glücksspiel.

450.000 Menschen in Deutschland sind pathologisch spielsüchtig, weitere 370.000 gelten als gefährdet. Besonders bei Jugendlichen nimmt die Spielsucht dramatisch zu. Denn: „Im Internet ist der Zugang zu illegalen Glücksspielen kinderleicht“, sagt Kerstin Jüngling, Geschäftsführerin der Fachstelle für Suchtprävention in Berlin. “Jugendliche werden in sozialen Netzwerken mit Gratisspielen angeworben, bei denen es noch nicht um Geld geht. Durch Algorithmen sind die Glücksspiele so gestaltet, dass Spieler frühzeitig Gewinnerlebnisse haben. Sie werden regelrecht angefüttert.“ Die Expertin warnt: „Einige junge Leute glauben beim Einstieg ins Berufsleben sogar, dass sie mit Glücksspiel Geld verdienen können, als professioneller Sportwetten- oder auch als Pokerspieler.“

Welch fataler Irrtum dies ist, erklärt Dr. Jens Kalke, Suchtpräventionsforscher der Universität Hamburg: „Kontrolle im Glücksspiel ist eine Illusion. Spieler glauben Vorgänge kontrollieren zu können, die nachweislich nicht beeinflussbar sind. Diese Kontroll-Illusion wird von einigen Sportwetten-Anbietern durch Werbung mit prominenten Fußballstars gefördert“. Statt einer Marktöffnung fordert Kalke hohe Jugendschutz- und Spielerschutz-Standards im Internet. Denn „Online-Glücksspiele vereinen Risikofaktoren, die Spielsucht fördern können: Das Spielangebot ist rund um die Uhr verfügbar, dabei fehlt die soziale Kontrolle und durch Alkoholkonsum und bargeldloses Zahlen verlieren Spieler leicht den Überblick über Ihre Einsätze.“

Der Glücksspielkompromiss der Ministerpräsidenten gerät ins Taumeln.

Um gefährliche Glücksspielangebote mit hohem Abhängigkeitspotenzial und Geldwäsche-Risiko einzudämmen und den Glücksspielmarkt effizienter zu regulieren, hatten sich die Ministerpräsidenten der Länder im Herbst 2016 auf eine Änderung des Glücksspielstaatsvertrags geeinigt. Doch die neue Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein hat die Abkehr vom bislang erzielten Konsens postuliert und will die Gesetzesnovelle nicht mehr ratifizieren.

„Damit gerät der Glücksspielstaatsvertrag ins Taumeln“ mahnt Torsten Meinberg vom DLTB und weist darauf hin, dass die Änderungen in allen 16 Landesparlamenten ratifiziert werden müssen. „Die Gesetzesnovelle ist ein wichtiger Schritt um Verbraucherschutz-Standards durchzusetzen“, sagt Meinberg und betont: „Glücksspiel ist kein Wirtschaftsgut wie jedes andere. Glücksspiel macht Freude, wenn die Risiken und Gefahren überschaubar sind. Die staatlichen Lotteriegesellschaften haben den Auftrag, die Spielfreude zu kanalisieren und den Spielerschutz durchzusetzen. Wir wollen nicht, dass Deutschland zu einer Zocker-Republik verkommt.“

Daher tritt auch Prof. Eva Quante-Brandt (SPD), Bremer Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz für eine effiziente Glücksspielregulierung ein: „Der Kompromiss auf den sich die Ministerpräsidenten verständigt haben, ist wichtig. Wir brauchen diese Einigung.“ Doch sie weiß: „Im Glücksspielbereich prallen viele Interessen aufeinander und zahlreiche Lobbyisten kämpfen um ihren wirtschaftlichen Vorteil. Deutschland ist ein großer Markt und es geht um viel Geld.“

Auch Spielsuchtexperte Jens Kalke schaut mit Sorge auf die von Schleswig-Holstein erneut angestoßene Debatte: „Die Ausstiegspläne untergraben die Glücksspiel-Regulierung und den Spielerschutz. Wo die Politik versagt, gewinnen die Lobbyisten. Und wenn wissenschaftliche Erkenntnissen zur Spielsucht ignoriert werden, steigen die Gefahren für Spieler – und für die Gesellschaft, die mit den Suchtfolgen klarkommen muss. Die Politik darf die Risiken nicht ignorieren und sollte jede Änderung wissenschaftlich begleiten.“ Er empfiehlt, vor einer Marktöffnung zunächst Modellversuche durchführen, um die Folgen einschätzen zu können – denn „die empirische Datenlage ist noch unzureichend.“

Einmütig appellieren die Experten an die Politik, einen politischen Prozess organisieren, der die wissenschaftlichen Erkenntnisse einbezieht: „Das Knowhow von Fachleuten muss in die politische Debatte einfließen“, fordert Torsten Meinberg und ist sich mit den Experten einig.

Die LOTTO ÜBER-KREUZ-GESPRÄCHE:
Mit den „LOTTO-Über-Kreuz-Gesprächen“ bietet der Deutsche Lotto- und Totoblock eine anerkannte Dialogfläche zu gesellschaftspolitischen Themen, rund um das Glücksspiel. Vor 50 interessierten Gästen aus Politik, Verbänden und Verbraucherschutz diskutierten auf dem Podium: Dr. Jens Kalke, Suchtpräventionsforscher der Universität Hamburg, Kerstin Jüngling, Geschäftsführerin der Fachstelle für Suchtprävention in Berlin, und Prof. Dr. Eva Quante-Brandt, Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz in Bremen sowie die Journalistin und Moderatorin Ute Welty und Torsten Meinberg, Geschäftsführer von LOTTO Hamburg und Federführer des Deutschen Lotto- und Totoblocks (DLTB). Foto: Offenblen.de, Manuela Steinemann.